Treibhauseffekt "Die Leichtigkeit, mit der gewisse Meinungen allgemein werden, hängt vor allem mit der Unfähigkeit der meisten Menschen zusammen, sich eine eigene Meinung zu bilden."
Gustave Le Bon, "Psychologie der Massen", Kröner, Stuttgart, 1911

7. Linienbreiten

7.3 Die Druckverbreiterung

Die Druck- oder Stoßverbreiterung geschieht durch Wechselwirkung der angeregten Moleküle mit Stoßpartnern. Wenn die Dichte und damit der Druck des Gases so hoch wird, dass die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen in die Größenordung der Lebensdauer des angeregten Zustandes erreicht, so kommt es zu einer Verringerung der Lebensdauer des angeregten Zustands. Eine Verringerung der Lebensdauer führt aber, wie bereits für die natürliche Linienbreite beschrieben, zu einer Verbreiterung der Linie. Da die Druckverbreiterung durch Verkürzung der mittleren Lebensdauer hervorgerufen wird, ist die Linienform der druckverbreiterten Spektrallinie, genau wie die Linienform der natürlichen Linienbreite, ein Lorentzprofil nach (7.10).
$$\hat I(\omega ) = \hat I_0 \cdot \frac{{\left( {\frac{1}{{2 \cdot \tau _S }}} \right)^2 }}{{\left( {\omega - \omega _0 } \right)^2 + \left( {\frac{1}{{2 \cdot \tau _S }}} \right)^2 }}$$ (7.29)
Wobei τS die durch Stöße verkürzte mittlere Lebensdauer des angeregten Zustandes ist. Besteht das Gas aus nur einer Molekülart, so müssen Störmoleküle und absorbierende Moleküle formelmäßig nicht unterschieden werden. Man spricht in diesem Fall von der so genannten Eigenverbreiterung. Überwiegen dagegen Moleküle anderer Sorte als Störmoleküle, so spricht man von Fremdverbreiterung. Man kann τS aber auch als die mittlere Zeit interpretieren, nach der ein Zusammenstoß mit einem anderen Molekül erfolgt. Damit ist τS über die mittlere freie Weglänge l-Strich und die mittlere Geschwindigkeit v-Strich der Moleküle bestimmbar. Es gilt:
$$\tau _S = \frac{{\bar l}}{{\bar v}}$$ (7.30)
Die freie Weglänge ist damit der Weg, den das Molekül zurücklegen kann, ohne mit einem anderen Molekül zusammenzustoßen. Auf diesem Weg durchfegt es ein Volumen V, dass durch l-Strich und durch den Wirkungsquerschnitt σ bestimmt wird.
$$V = \sigma \cdot \bar l$$ (7.31)
Mit Hilfe von (7.31) lässt sich l-Strich in (7.30) ersetzen:
$$\tau _S = \frac{V}{{\bar v \cdot \sigma }}$$ (7.32)
Das Volumen V lässt sich in erster Näherung durch das allgemeine Gasgesetz bestimmen, das nach V umgestellt wird.
$$p \cdot V = N \cdot k_B \cdot T$$ $$V = \frac{{N \cdot k_B \cdot T}}{p}$$ (7.33)
Dabei ist p der Druck, kB die Boltzmann-Konstante, T die Temperatur und N die Teilchenanzahl. In unserem Fall gilt N=1, da es ja zu keiner Kollision kommen soll. Also wird aus (7.32) und (7.33):
$$\tau _S = \frac{{k_B \cdot T}}{{\bar v \cdot \sigma \cdot p}}$$ (7.34)
Der Wirkungsquerschnitt σ kann unter Annahme von Molekülen mit gleichem Durchmesser d über die Kreisflächengleichung berechnet werden (wobei der Radius der Wirkungsquerschnittsfläche genau dem Moleküldurchmesser d entspricht).
$$\sigma = \pi \cdot d^2 $$ (7.35)
Somit wird aus (7.34):
$$\tau _S = \frac{{k_B \cdot T}}{{\bar v \cdot \pi \cdot d^2 \cdot p}}$$ (7.36)
Die mittlere Geschwindigkeit v-Strich lässt sich durch Integration aus der Maxwell-Boltzmann-Verteilung nach (7.22) gewinnen. Ohne Ableitung sei das Ergebnis angeführt mit:
$$\bar v = \sqrt {\frac{{8 \cdot k_B \cdot T}}{{\pi \cdot m}}} $$ (7.37)
Wobei m die Molekülmasse ist. Gleichung (7.37) wird in (7.36) eingesetzt und noch etwas vereinfacht:
$$\tau _S = \frac{{k_B \cdot T}}{{\sqrt {\frac{{8 \cdot k_B \cdot T}}{{\pi \cdot m}}} \cdot \pi \cdot d^2 \cdot p}} = \frac{1}{{\sqrt {\frac{{8 \cdot k_B \cdot T \cdot \pi ^2 }}{{\pi \cdot m \cdot k_B^2 \cdot T^2 }}} \cdot d^2 \cdot p}} = \frac{1}{{\sqrt {\frac{{8 \cdot \pi }}{{m \cdot k_B \cdot T}}} \cdot d^2 \cdot p}} = \frac{{\sqrt {\frac{{m \cdot k_B \cdot T}}{{8 \cdot \pi }}} }}{{d^2 \cdot p}}$$ (7.38)
Die resultierende Halbwertsbreite Δf½ errechnet sich nach (7.11) und (7.38) zu:
$$\Delta f_{1/2} = \frac{1}{{2 \cdot \pi \cdot \tau _S }} = \frac{{d^2 \cdot p}}{{2 \cdot \pi \cdot \sqrt {\frac{{m \cdot k_B \cdot T}}{{8 \cdot \pi }}} }} = \frac{{d^2 \cdot p}}{{2 \cdot \pi }} \cdot \sqrt {\frac{{8 \cdot \pi }}{{m \cdot k_B \cdot T}}} = d^2 \cdot p \cdot \sqrt {\frac{2}{{\pi \cdot m \cdot k_B \cdot T}}} $$ (7.39)
Damit ist die Halbwertsbreite Δf½ linear vom Gasdruck p abhängig. Durch Normierung auf Standartbedingungen (das heißt p0=1013hPa und T0=296K≡+23°C) berechnet sich die Halbwertsbreite zu:
$$\Delta f_{1/2} = \Delta f_{1/2}^0 \cdot \frac{p}{{p_0 }} \cdot \sqrt {\frac{{T_0 }}{T}} = \Delta f_{1/2}^0 \cdot \frac{p}{{p_0 }} \cdot \left( {\frac{{T_0 }}{T}} \right)^{0,5} $$ (7.40)
Der Exponent 0,5 zur Berechnung der Temperaturabhängigkeit ist nur eine Näherung für die Annahme eines idealen Gases. Der exakte Wert muss durch Experimente bestimmt werden. Die allgemeine Form von (7.40) lautet:
$$\Delta f_{1/2} = \Delta f_{1/2}^0 \cdot \frac{p}{{p_0 }} \cdot \left( {\frac{{T_0 }}{T}} \right)^n $$ (7.41)
Wobei in der HITRAN-Datenbank (L.S. Rothmans et al., "The HITRAN Database 1996 Edition", zitiert nach Diplomarbeit Oliver Kröger S.14) n für CO2 angegeben wird mit:
$$n_{CO_2 } = 0,7$$ (7.42)
Im Rahmen der Diplomarbeit "Aufbau eines Infrarotabsorptionsspektrometers zur Untersuchung der Druckverbreiterung in molekularen Gasen" (Oliver Kröger, 1998, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Experimentalphysik V) wurde die Druckverbreiterung von CO2 untersucht und sowohl der Eigenverbreiterungskoeffiziente als auch der Fremdverbreiterungskoeffiziente experimentell bestimmt. Beide Werte wurden durch Angaben in der Fachliteratur mit guter Genauigkeit bestätigt.

   Halbwertsbreite von CO2 (Eigenverbreiterung)
   Abb. 7-3: Halbwertsbreite von CO2 (Eigenverbreiterung) (Diagrammdaten: Diplomarbeit Oliver Kröger, S.48)

Abbildung 7-3 zeigt den Anstieg der Halbwertsbreite Δf½ bei Eigenverbreiterung in Abhängigkeit vom Druck (blaue Messwerte). Die gelbe Linie zeigt die Dopplerverbreiterung, die unabhängig vom Druck ist. Mit zunehmendem Druck, geht das Gaußprofil in das Lorentzprofil über und es dominiert die Druckverbreiterung. Die rote Linie zeigt den theoretischen Wert aus der HITRAN-Datenbank unter Vernachlässigung der Dopplerverbreiterung. Der experimentell ermittelte Wert liegt für Normalbedingungen bei 6,078GHz und der theoretische bei:
$$\Delta f_{1/2eigen}^0 = 6,192GHz$$ (7.43)
Die Herleitung für die Fremdverbreiterung erfolgt analog, nur das statt des Drucks der jeweilige Partialdruck der Komponenten des Gasgemisches verwendet werden muss. Man erhält somit für die Halbwertsbreite eines zweikomponentigen Gasgemischs:
$$\Delta f_{1/2} = \Delta f_{1/2a}^0 \cdot \frac{{p_a }}{{p_0 }} \cdot \left( {\frac{{T_0 }}{T}} \right)^n + \Delta f_{1/2b}^0 \cdot \frac{{p_b }}{{p_0 }} \cdot \left( {\frac{{T_0 }}{T}} \right)^n $$ (7.44)
Dabei sind pa und pb die jeweiligen Partialdrücke und Δf½a und Δf½b die dazu gehörenden Halbwertsbreiten. In der oben genannten Diplomarbeit wurde bei der Bestimmung der Linienverbreiterung einer CO2-Absorptionslinie in einem CO2-Luft-Gemisch der Partialdruck des CO2 konstant gehalten und der Partialdruck der Luft schrittweise erhöht. Der Partialdruck des CO2 wurde mit pCO2=0,86bar so niedrig gewählt, dass ohne Luftzugabe die Linie rein dopplerverbreitert ist. Damit erfolgt die Linienverbreiterung nur durch die zunehmende Konzentration der N2- und O2-Moleküle und sie lässt sich einfach durch (7.41) darstellen. Da das Verhältnis zwischen N2- und O2-Molekülen unverändert blieb, kann die Linienverbreiterung für Luft mit einem Parameter abgehandelt werden.

   Fremdverbreiterung von CO2 durch Luft
   Abb. 7-4: Fremdverbreiterung von CO2 durch Luft (Quelle: Diplomarbeit Oliver Kröger, S.49)

In Abbildung 7-4 ist das Linienprofil für drei verschiedene Drücke gezeigt. Wie deutlich zu sehen ist, steigt die Halbwertsbreite mit wachsendem Druck an, wobei die Kurve selbst flacher wird. Da die Anzahl der absorbierenden CO2-Moleküle konstant bleibt, muss die vom Profil eingeschlossene Fläche ebenfalls konstant bleiben.

Die Auswertung zur Bestimmung des Fremdverbreiterungskoeffizienten erfolgt analog zur Bestimmung des Eigenverbreiterungskoeffizienten. Die gemessene Halbwertsbreite wird in Abhängigkeit vom Druck aufgetragen. Die Dopplerverbreiterung wird wieder vernachlässigt und aus der Steigung der Ursprungsgeraden berechnet sich der Fremdverbreiterungskoeffizient, siehe Abbildung 7-5.

   Halbwertsbreite von CO2 (Fremdverbreiterung)
   Abb. 7-5: Halbwertsbreite von CO2 (Fremdverbreiterung) (Diagrammdaten: Diplomarbeit Oliver Kröger, S.50)

Die gelbe Linie zeigt die Dopplerverbreiterung, die unabhängig vom Druck ist. Mit zunehmendem Druck, geht das Gaußprofil in das Lorentzprofil über und es dominiert erneut die Druckverbreiterung. Die rote Linie zeigt die lineare Näherung der Messwerte unter Vernachlässigung der Dopplerverbreiterung. Der experimentell ermittelte Wert liegt für Normalbedingungen bei 4,584GHz und der theoretische aus der HITRAN-Datenbank bei:
$$\Delta f_{1/2fremd}^0 = 4,482GHz$$ (7.45)
Ein Vergleich von (7.45) mit (7.28) zeigt, dass die Dopplerverbreiterung bei normalem Luftdruck gegenüber der Druckverbreiterung um zwei Größenordnungen geringer ist und somit in Erdnähe vernachlässigt werden kann.

Die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustandes berechnet sich unter den Umständen der Druckverbreiterung nach (7.11) zu:
$$\tau = \frac{1}{{2 \cdot \pi \cdot \Delta f_{1/2} }} = \frac{1}{{2 \cdot \pi \cdot 4.482GHz}} = 0,0355ns$$ (7.46)

 nach oben 

© 2010  Ullrich Sussek